Dienstag, 25. November 2008

Wo die Welt (scheinbar) endet und die Schönheit beginnt

Ich dachte, ich hätte bereits den Gipfel dessen, was Island an Faszination zu bieten hat, gesehen. Das letzte Wochenende hat mich gelehrt, dass dieses Fass keinen Boden besitzt. Dass es immer wieder Dinge und Orte gibt, die verzaubern und einen in völlige Begeisterung versetzen können. Das ist der Norden Islands, dort, wo man dem nördlichen Polarkreis ganz nahe kommt. Endlos weite und weiße Ebenen und Berglandschaften, von Schnee bedeckte Lavafelder, hellblaue Lagunen. Überall Kargheit und kalte Einsamkeit. Immer begleitet von dem Eindruck, alles hinter sich gelassen zu haben und in eine andere Welt einzutauchen.

Am Freitag abend, den 21. November, machten wir uns auf den langen Weg von Reykjavik zum Myvatn, welcher im Norden, ja schon beinahe im Nordosten Islands liegt. Sechs Stunden lang fuhren wir duch die Dunkelheit. Außer dem schneebedeckten Stückchen Straße vor uns sahen wir meist nicht viel. Bis zum Myvatn ließen wir fast die Hälfte der Ringstraße hinter uns, welche stets recht nahe an der Küste Islands entlangführt und so die gesamte Insel umrundet.

CIMG1557
Schneewehen auf der Ringstraße

Am nächsten Morgen erspähten wir dann endlich die Umgebung, in der wir uns befanden. Es war klirrend kalt, windig und alles komplett mit einer dicken Schneeschicht überzogen. Das winzige Dorf Reykjahlid, in welchem wir genächtigt hatten, versuchte dennoch liebevoll dem unwirtlichen, aber nichtsdestotrotz herrlichen Ort ein wenig Weihnachtsbehaglichkeit zu verschaffen.

CIMG1531

So versuchten wir nun, die wenigen Stunden Tageslicht mit so vielen Eindrücken wie möglich zu füllen. Die Kälte erlaubte nur kurze Strecken zu Fuß zu bestreiten, und so erlebten wir das Land über einige Strecken in einer Art Eissafari aus dem Auto heraus, begleitet von einschlägig nordischer Musik. Nun bemerkten wir auch, an welchen Abgründen wir die Nacht zuvor auf den vereisten Straßen entlang geschlittert sind...

CIMG1603
Weiße Weiten

CIMG1566

CIMG1564
Im Nirgendwo

CIMG1545
Schwefelfeld und Lagune

CIMG1584
Vulkankrater und Lavafeld

Selbstverständlich hatten wir auch einen kulturellen Höhepunkt fest im Tageplan verankert, und so verschlug es uns ins beschauliche Küstenstädtchen Husavik, um die meistbesuchte Ausstellung Islands zu besichtigen: das Phallologische Museum, eine hübsche Sammlung verschiedenster Tier- und anderer Penisse. Wie es sich für frivole Touristen wie uns gehört, konnten wir auf folgende Aufnahmen selbstverständlich nicht verzichten:

CIMG1573

CIMG1574

Der frühe Abend wurde gekrönt duch den Bade-Besuch in einer Lagune, was das wohl beeindruckendste Ereignis darstellte. Nachdem ich den frostigen Weg von den Umkleiden nach draußen, wo minus 7 Grad Celsius herrschten, in die warme Lagune überstanden hatte, war es nur noch wunderbar: um die Lagune herum Schneehügel in der Dunkelheit, der Kopf umweht von eiskalter Luft und der Körper in durch Erdwärme gewärmtem Wasser... [Leider stehen mir von dieser Vergnügung keine Fotos bereit:-)]

Am nächsten Tag stand dann noch eine kurze Stippvisite in Akureyri, der "Hauptstadt des Nordens", an. Alles war noch recht verschlafen an diesem Sonntag mittag. Dennoch ist die Weihnachtsbeleuchtung, die wir tags zuvor im Vorbeifahren sichteten, einen Besuch wert.

CIMG1608
Die Kirche von Akureyri

CIMG1611
Ja, auch hier gibt's Graffiti

CIMG1615
Die Überreste des Samstag Abends...

Der Rückweg nach Hause führte uns schließlich noch an einem Wasserfall vorbei (was in Island jedoch keineswegs eine Überraschung ist...).

CIMG1598
Der Godafoss (Götterfall)

CIMG1594
Unsere Reisegruppe am Fuße des Godafoss'

Damit ging unsere kleine Reise und mein letztes Naturabenteuer hier dem Ende zu...

CIMG1589
Ein Hof im Nirgendwo

Mittwoch, 19. November 2008

Da wird doch der Hund in der Pfanne verrückt!

Winter war es ja gewissermaßen schon von Anfang an in Reykjavik, mein Wintermantel seit Ende August dauerhaft in Betrieb. Ich wusste, es wird dunkel hier, sehr bald schon und nicht weniger plötzlich. Vorbereitet war ich dennoch nicht, genauso wenig auf all die Eindrücke und Erfahrungen hier. Heute war gefühlt der erste Tag, an dem es nicht wirklich hell wurde. Die Stadt scheint in einen Dämmerschlaf zu verfallen, und als ein vorübergehender Bewohner kann man sich dem ebenso kaum entziehen.
Doch der Schein trügt, denn in Wahrheit ist hier regelmäßig alles in heller Aufregung. Jeden Samstag Demonstrationen; zuletzt kamen 8 000 Menschen zusammen, um ihrem Unmut über die Politik und die Schuldigen der Finanz- und Wirtschaftskrise Luft zu machen.

CIMG1391

Es schien, als ob jeder dort vertreten war, ein breiter und umfassender Querschnitt der Bevölkerung. Das ist neu für das demonstrationsträge und politisch angeblich eher uninteressierte Völkchen. Hier passiert gerade einiges, nicht nur in der Wirtschaft und der Politik, sondern auch in den Köpfen, im realen Leben und vielleicht auch in ihrer Kultur. Ich selber stehe nur am Rand und sehe zu. Ein bisschen bin ich als Jobsuchende selbst betroffen, jedoch eher im Sinne einer abenteuerlustigen EU-Bürgerin als einer vor dem Abschwung geängstigte Einwohnerin. Also ist die schlechte Jobsituation wohl gerade eher (m)ein Luxusproblem.
Man kann behaupten, dass dies wahrscheinlich die schlechteste Zeit seit etlichen Jahren ist, um nach Island zu kommen in der Hoffnung, hier einen Job zu finden. Noch vor drei Monaten musste man nur die Haupteinkaufs- und Kneipenstraße Reykjaviks entlang schlendern und hatte, wenn man am Ende angelangt war, allen Prognosen zufolge mehrere Jobangebote. Die Zeiten sind vorbei. Die Arbeitslosenquote steigt rapide, und nun machen auch Isländer vermehrt Jobs, welche zuvor häufig den Nicht-Isländern zufielen. Hat ein Arbeitgeber die Wahl, so fällt diese verständlicherweise auf den Kandidaten, der des Isländischen mächtig ist und nicht nur schlecht ausgesprochene Höflichkeitsfloskeln auf Lager hat (in diese Kategorie würde ich mich einordnen). Dazu kommt, dass die Zahl der offenen Stellen stark gesunken ist.
Nun ja, nach einigen häuslichen Diskussionen über mögliche (entweder unrealistische oder nicht ganz alltagstaugliche) Wege, hier Geld zu verdienen bzw. sich nützlich zu machen war dann irgendwann klar, dass ich meinen Aufenthalt hier verkürzen werde und die restlichen Wochen noch genießen und viel sehen möchte.

Vor einer Woche machten wir uns auf, um die sagenumwobene Halbinsel Snaefellsnes nördlich von Reykjavik aufzusuchen. Selbstverständlich musste für die unglaubliche Landschaft Opfer gebracht werden, was in diesem Falle eine mehrstündige Autofahrt mit vier Herren (einer davon mit starker Vorliebe für Thunfisch...) in einem VW Polo und eine Nacht in quietschenden Doppelstockbetten bedeutete.

CIMG1521

CIMG1512

CIMG1407

CIMG1410

CIMG1434

DSCN2888

Neues-Bild

CIMG1458

Das Wochenende war einfach unglaublich. Die Landschaft kann man mit einem Wort umschreiben: mystisch. Wir sind gewandert, geklettert, haben Bäche überquert, und ich habe sämtliche Ängste überwunden: vor Abgründen, Hunden und Schluchten. Alles war menschenleer, still und friedlich. Und doch hatte ich den Eindruck, als würden auf dieser Halbinsel eigenartige Kräfte wirken. Sieht man diese magische Natur, so kommt man kaum daran vorbei, an Dinge zu glauben, die man vorher nicht für möglich gehalten hat.

Man muss ganz genau hinsehen...
CIMG1443

CIMG1452

CIMG1453

Ab und zu tauchten in der Landschaft unvermittelt kleine Bauernhöfe auf, völlig abgetrennt von anderer Zivilisation. Wie die Menschen wohl leben, so mitten und im Einklang mit der Natur...kaum vorstellbar für mich. Da mir an dieser Stelle jedoch die Adjektive für dieses Fleckchen Erde ausgehen, werde ich einfach noch ein paar Bilder sprechen lassen.

CIMG1421

CIMG1442

CIMG1467

CIMG1484

CIMG1492

CIMG1496

CIMG1436

Ich habe außerdem einen neuen Freund gefunden :-)
Neues-Bild_2

Gleichzeitig muss ich an dieser Stelle endgültig zugeben, dass ich mich bezogen auf den Titel meines Blogs geirrt habe, wie man deutlich auf dem Foto sieht. Während unseres Trips haben uns gleich an zwei Orten Hunde begleitet, die wahrscheinlich von angrenzenden Bauernhöfen stammten und auf Belohnungsfressen hofften. Es war wie in einem kitschigen Naturfilm, nur schöner...

CIMG1413

CIMG1430

Soviel für heute, ich verabschiede mich mit einem kleinen Foto-Potpurri... Bis bald, Eure Kasi

CIMG1433

CIMG1501

CIMG1507

CIMG1373

CIMG1327

CIMG1341

CIMG1378

wahltag

Freitag, 17. Oktober 2008

Und was mach' ich heute?

Die Zeit rinnt durch die Finger, begleitet von kleinen Veränderungen, großen Erlebnissen, mittelmäßigen Horrorszenarien und winzigen Momenten des Innehaltens. Der Umzug in unsere kleine Studenten-Farm hat uns von der randstädtischen Einöde mitten ins Zentrum der menschlichen Vielfältigkeit und des friedfertigen Zusammenlebens auf recht engem Raum katapultiert. Hier wurde ich hingegen meiner sonstigen Gewohnheiten per Hausordnungs-Dekret dazu erzogen, jeden benutzten Teller unverzüglich abzuwaschen...man möge sich den Kampf vorstellen, der sich dabei in meinem Inneren anspielt. Glücklicherweise wird meine Tendenz zur Unordnung von mindestens einem bestimmten Herrn im Haus überschattet, dessen hygienische Vorstellungen über die Aufbewahrung von Lebensmitteln nicht unbedingt dem Standard entsprechen. Diese Woche habe ich Putzdienst, und wenn am Sonntag um 17 Uhr unsere Vermieter kommen, muss das ganze Haus inklusive zweier Bäder, der Küche und der Treppe tipptopp geschrubbt sei, andernfalls gibt's eine Art Strafgeld zu zahlen. Ohne derartige Saktionen würde in einem Haushalt von acht Personen wohl bald der Kammerjäger kommen müssen.

CIMG1195

Vor zwei Wochen bin ich dann endlich zum ersten Mal in den Genuss der Natur gekommen, als wir uns für einen Tagestrip ein Auto mieteten und uns auf Entdeckungsreise begaben. Dank eines Island-belesenen Mitbewohners, der uns begleitete, hörten wir zu den Dingen, die wir sahen, auch noch die passenden Geschichten. Wir sahen Thingvellir (wird eigentlich anders geschrieben, aber der Buchstabe ist nicht verfügbar), also den historischen Versammlungsplatz und Ort, an dem das Auseinanderdriften der eurasische und amerikanischen Kontinentalplatten sichtbar ist.

CIMG1259

CIMG1255

Wir fuhren weiter nach Haukadalur, um Geysire zu sehen, die leider nicht mehr in der gottverlassenen Natur, sondern direkt neben einer großen Touristenraststätte zu finden sind. Nichts desto trotz war es ein Erlebnis zu sehen, wie sich das seicht plätschernde Pfützchen in sekundenschnelle zu einer immer größer werdenden Wasserblase formt, um dann viele Meter hoch zu explodieren. Als besonderes Schmankerl kann man sich in Windrichtung neben den Geysir stellen und sich von den warmen Schwefelwolken umwehen lassen. Sicherlich stellt der Geruch ein geringfügiges Manko dar, aber daran ist man nach Wochen des Duschens und Abwaschens mit nach verdorbenen Eiern riechenden Wassers gewöhnt.

CIMG12901

Das Highlight war für mich zweifellos der Gullfoss, ein Wasserfall so atemberaubend, dass man nur dastehen, schweigen und beobachten konnte. Wir konnten es uns nicht nehmen und kraxelten schreiend und lachend an einem halsbrecherisch steilen und vereisten Pfad, direkt am Abgrund, festhaltend an einer Wegbegrenzung aus Seil, zu einem besseren Aussichtspunkt. In diesem entscheidendem Moment habe ich all meine Ängste vor irgendetwas überwunden, wenngleich meine Hysterie meine Weggefährten ein wenig angestrengt hat, glaube ich...

CIMG1295

Ich habe noch nie solche Orte gesehen, an denen die innere Kraft der Erde so deutlich zu sehen war. Die Landschaften sind unglaublich rauh, aber voller Magie und erzählen tausende Geschichten. Alles ist menschenleer, manche Landstriche beinahe ohne ein Anzeichen von Zivilisation, keine sichtbaren Tiere, kaum Pflanzen. An manchen Orten fühlt man sich um tausende Jahre zurückversetzt in die Eiszeit.

CIMG1287

CIMG1281

CIMG1239

CIMG1292

Wieder zurück in unserer kleinstädtischen Umgebung warfen wir uns noch mit unserem ersten Gast (vielen Dank lieber Steffen für Deinen Besuch, die Filme reichen für die nächsten dreißig Jahre, aber die berliner Luft wird langsam dünn) anlässlich des "Oktoberfestes" ins Nachtleben.

CIMG1206

CIMG1211

Schließlich musste ich mich noch ein paar Wochen mit meiner Arbeit quälen, aber jetzt isses geschafft (Anne, einen dicken Knutsch für Dich...ich hoffe, Du hast die Begegnung mit dem "Drachen" verkraftet). Und was ist das Beste nach einer solchen Zeit der Entsagungen? Ein rosa Bändchen fürs "Iceland Airwaves"-Musikfestival gekauft, umgeschnallt und die nächsten vier Tage zu den unendlich vielen Konzerten in unterschiedlichen Clubs Reykjaviks gelaufen. Zwei Tage sind bereits vorüber, und folgende bands bzw. Musiker kann ich nur wärmstens ans Herz legen (auch einzusehen bei MySpace):
Ane Brun, Esja und Agent Fresco.

CIMG1299

Das praktische an diesem Festival, bei dem nicht nur isländische Bands auftreten, ist die Tatsache, dass man sich dad ganze Grauen rund ums Festival-Zelten erspart, und abends einfach wieder nach hause gehen kann. Noch besser ist, dass man zur Geträke-Einnahme oder zum Umziehen etc. schnell mal nach Hause gehen kann, denn alles liegt nur einen Kirschkern gespuckt voneinander entfernt: zuhause-ClubA= 5 Minuten, ClubA-ClubB=3 Minuten und so weiter. Traumhaft.
Ab nächste Woche beginnt dann der ernst des Lebens: die Jobsuche. Dann werde ich sehen, wie sich das isländische Finanz-Desaster in ein wirtschaftliches Horrorszenarium für Arbeitswillige verwandelt hat.
Solange erfreue ich mich meiner neu gewonnen Freiheit. So, jetzt noch schnell in die Vin Bud gehuscht... Bis bald!

Montag, 6. Oktober 2008

Polarlichter und Weihnachtsstollen

Liebe Oma,
die folgenden Zeilen sollen Dir gewidmet sein, auch wenn Du sie leider nicht mehr lesen kannst. Vor ein paar Tagen stand ich mit einem unserer Mitbewohner vor der Tür, nur um ein wenig frische Luft zu schnappen, und genau während dieser zehn Minuten zogen plötzlich grünlich schimmernde Schwaden am Himmel vorbei, ganz langsam, aber ständig ihre Gestalt ändernd. Ganz klar, das müssen Polarlichter sein. Ich habe gleich an Dich gedacht und vermutet, dass Du bestimmt dahintersteckst... Ich werde vermissen, dass du uns immer (oftmals unfreiwillig) zum Lachen gebracht hast, Deine Großzügigkeit, Deine Geschichten, die ich nie vergessen werde. Und wer backt jetzt die 20 fantastischen Christstollen zu Weihnachten?!?

CIMG1236

In Gedanken bin ich bei Dir...

Sonntag, 21. September 2008

Und so fing alles wirklich an (Teil 2)

...Nachdem wir die 'Guesthouse Pavi'-Situation verdaut hatten, wollten wir natürlich ersteinmal die Gegend unsicher machen und erste Eindrücke von Reykjavik einholen. Ich hatte im Grunde kaum irgendwelche genauen Vorstellungen von diesem Ort, da es in Reiseführern meist nur Bilder von der Hallgrimskirkja (diesem angsteinflößende Koloss von einer Kirche) oder Läden mit Islandpullovern zu sehen gab. Und auf die Eindrücke aus einschlägigen Filmen wie "101 Reykjavik" wollte ich schon gar nicht vertrauen. Wie es sich für richtige Neuankömmlinge gehört, liefen wir zunächst einmal in Richtung Laugavegur, der zentralen Ader der Stadt, welche sich durch Cafés, Läden und kleine Gallerien auszeichnet und wo die isländischen Damen von Welt ihre blonden Mähnen und die neuesten Designer-Collektionen spazieren tragen. Ich war kaputt, irgendwie neugierig, aber auch völlig irritiert. Alles war so niedrig, klein, so völlig überschaubar und trotzdem absolut fremd und unergründlich. Ich habe nach vertrauten Dingen gesucht, obwohl ich doch eigentlich etwas Neues kennenlernen wollte. Aber so läuft es wahrscheinlich. Würde ich nach einer Woche wieder wegfahren würde, so wäre das Gefühl in diesem Moment sicher ein anderes gewesen. Aber eine Frage drängte sich immer wieder auf: Und hier bin ich jetzt die vielen kommenden Monate?
Nun ja, am nächsten Tag erreichten wir dann unser vorläufiges Zuhause: Guesthouse Sigridur. Hausherrin Siggri ist eine recht verrückte Frau, mit der wir gleich einen Deutsch-Isländischen Kulturaustausch hatten und einen kleinen Einblick in die Gedanken- und Lebenswelt einer Isländerin bekamen. Dummerweise steht sie seitdem jedes Mal, wenn sie im Guesthouse aufschlägt, gleich in unserem Zimmer, reißt die Fenster auf, hält Vorträge über die Feuerbestimmungen Islands und erzählt von ihren Reisen nach Deutschland. Oder von zwei ehemaligen Gusthouse-Bewohnern aus Litauen, die acht Monate lang in einer Schokoladenfabrik arbeiteten und sich dann in ihrer Heimat eine Eigentumswohnung kaufen konnten. Naja, wenn ich mich demnächst in einer Fischverarbeitungsfabrik dumm und dusselig verdiene, dass wisst Ihr ja was kommt.
Unsere Bleibe ist relativ weit außerhalb von Reykjavik, mitten im Industriegebiet, aber zum Glück haben wir direkt vor unserer Nase einen Meeresausläufer-See (ja Stefan, wie heisst dit denn nun?), um den man ganz nett herumlaufen kann und das Gefühl bekommt, mitten in der Natur zu sein. Jenseits des Sees sind die großen Lava-Berge, die oftmals von Wolken verhangen sind und einfach wunderschön aussehen. Von unserem Zimmer aus kann man sie direkt sehen und man gewinnt den Eindruck, dahinter ist nichts als die einsamen Weiten Islands. Is aber nicht so, da war ich wohl zu schnell mit meiner Natur-Romantik.
Hier mal ein kleiner Eindruck vom Ganzen, hach...

CIMG1169

Der See ist mein kleines Refugium geworden, wenn Kopf und Geist mal ein wenig Auslauf brauchen oder irgendetwas im Argen ist.
So viel zum Schönen, nicht so schön ist allerdings die Tatsache, dass man dort total auf die nur halbstündig und gerade mal bis kurz vor Mitternacht fahrenden Busse angewiesen ist. Und als wenn das nicht schon schlimm genug wäre, ist die nächste Bushaltestelle direkt auf der Autobahn und ohne Bushäuschen. Da steht einfach nur so'n Schild an der Leitplanke. und um da hin zu kommen, muss man sich einen recht steilen Abhang hochmühen, der bei Regen (also mittlerweile täglich) zum Ausrutschen in großem Stil einlädt (Stefan hat's schon erwischt:-)). Als wir uns dann so überlegt haben, wie das im Winter bei Glatteis wird, wussten wir eins sofort: wir müssen bald weg hier (die Suche läuft).
Für mich gab es ja noch eine kleine Baustelle, nämlich meine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis. Überall hat man etwas anderes gehört, daher habe ich mich gleich in der ersten Woche zum Immigration Office aufgemacht und die nette Dame am Schalter gefragt. Glücklicherweise hat die isländische Regierung ein hübsches Gesetz erlassen, dass den Staatsbürgern der meisten EU-Staten, auf jeden Fall Deutschen, ohne Beschränkungen und Bedingungen den Aufent in Island erlaubt.
Insgesamt habe ich hier in der ersten Zeit völlig widersprüchliche Erfahrungen gemacht. Einerseits gibt es hier so viele nette Orte, freundliche Menschen und spannende Dinge zu erleben. Dann aber sieht und erfährt man Dinge, die enttäuschend sind und die man sich einfach anders vorgestellt hat. Diese Stadt macht es Dir nicht leicht, weil man sich die schönen Dinge suchen muss und sie nicht einfach so auf dem Präsentierteller gereicht werden. zum Beispiel ist das Stadtbild ziemlich einfach, ohne Schnörkel, und es gibt hier irrsinnig viele Baustellen und Autos und hässliche Straßen an den falschen Orten. Aber als ich mir einen halben Tag Zeit genommen habe, um an einem wunderschönen Sonnen-Tag durch die Straßen zu laufen (mit meiner derzeitigen Lieblings-Musik im Ohr), habe ich so viel Schönes, Nettes, Lustiges gesehen, und damit war das trübsinnige Gefühl des Nicht-Wohlfühlens endgültig verschwunden.
So und hier noch ein paar Impressionen...

CIMG1077
In Keflavik, 1. Tag, noch mit dem Abschieds-Blues in den Knochen (und ganz viel Kaffee... dank Betti, Henryk und am allermeisten Elsys Popo ist er so noch viel besser :-))

CIMG1089

CIMG1090
Vorfreude auf das Meer...

CIMG1167
Auch das ist Reykjavik: Baustelle, Hafen, Meer, Berge und strahlender Sonnenschein...

CIMG1112
...und manch einer hat sogar einen Kran im Haus

CIMG1180
Muss man jetzt im Bus schon die Schuhe ausziehen? Mich würde hier gar nichts mehr wundern.

CIMG1155

Dienstag, 16. September 2008

Und so fing alles wirklich an (Teil 1)

Willkommen in Reykjavík! Am Samstag nachmittag, den 30. August, verließ ich mit Stefan die vertraute Heimat Berlin und Deutschland, um zu einem großen Abenteuer und neuen Ufern aufzubrechen: nach Island. Der Abschied fiel schwer, da mir klar war, dass ich mein gewohntes und zum großen Teil auch geliebtes Leben für eine ganze Weile hinter mir lassen werde. Zunächst verschlug es uns für eine Nacht und den nächsten halben Tag nach Keflavík, einem kleinen 10000 Isländer-Ort, auf dessen Flughafen die meisten Auslandsflüge eintreffen, also quasi der Hafen Islands. In unserem Guesthouse, welches wir mitten in de Nacht dank der Abhol-Aktion des netten Betreibers („… I didn’t sleep until Thursday!“) erreichten, fühlten wir uns gleich wie zuhause und begegneten sofort einigen der gängigen Reiseführer-Klischees. Am Sonntag sollte es dann nach Reykjavík gehen, und als wir mit gepackten Koffern im Eingangsbereich standen und uns über die Transportmöglichkeiten informierten, begann ein ganz großes Kapitel in unserer Island-Geschichte: ‚Ein Staat und sein katastrophales System des öffentlichen Personentransportes’ oder besser: ‚Die Naivität, in Island ohne Auto unterwegs sein zu wollen’. Ein Kapitel, welches bereits nach einer knappen Woche viele Seiten füllt und sowohl zum Lachen als auch zum Weinen anregt. Schlussendlich passierte das Unwahrscheinliche, wir erreichten Reykjavík gegen späten Nachmittag und ließen uns von einem überaus „charmanten“ Taxifahrer zu unserer Bleibe für die erste Nacht bugsieren. Selbstverständlich hatten wir ausschweifende, romantisierte Vorstellungen von Reykjavík im Allgemeinen und besagtem Guesthouse im Speziellen, doch diese endeten abrupt mit den plötzlichen Worten „Here we are!“ des Taxifahrers und zwei entsetzten Blicken durch die vom Regen betropften Fenster. Um es noch milde auszudrücken: wir befanden uns mitten auf einer Großraumbaustelle.

Aller Anfang ist schwer

Liebe Leser,

heute ist es nun endlich soweit: ich habe mich aus meinem (selbst errichteten) Gefängnis befreit und bin sofort zum nächstbesten Ort gefahren, gelaufen, gerannt (ja der Regen...), um hier und jetzt im recht plüschigen 'Hjomalind Kaffi' - Stübchen einen schönen Jogi-Tee zu trinken und mich durch den Internet-Blog-Dschungel zu kämpfen, um nun auch meine Erlebnisse, Gedanken und ja, auch Sorgen mit Euch und der Welt teilen zu können.
Zuallererst muss ich darau hinweisen, dass ich vor lauter Aufregung meinen Benutzernamen falsch eingetippt habe und man den dann nicht mehr ändern kann, sehr ärgerlich, hätte es doch eigentlich Rüdigerdottir heißen müssen (sorry Papa). Naja, wir werden sicher beide darüber wegkommen... Außerdem konnte ich leider aufgrund einer Ansammlung verschiedener fieser Faktoren erst jetzt richtig mit der Außenwelt Kontakt aufnehmen. Schuld waren u. a. Microsoft und Guesthouse-Mutter Sigridur; vor allem jedoch wäre da noch diese nervenzerfetzende Abschlussarbeit zu erwähnen, welche mich Tag und Nacht an meinen harten Guesthouse-Stuhl fesselt und von all den schönen Dingen abhält, von denen ich gehört habe, dass man sie hier erleben kann. Und das noch bis Mitte Oktober... Ich weiss bisher mehr über Parteiensysteme und Russland als über Reykjavik, traurig traurig. Seit nunmehr zweienhalb Wochen bin ich hier, in Reykjavik, Hauptstadt Islands, und erzählen kann ich noch nicht viel. Meiner Situation ist es momentan geschuldet, dass sich das Leben hier für mich um ganz basale Dinge dreht. Das heisst im Klartext: Essen und Fernsehprogramm für die kurzen Entspannungphasen. Darüber könnte ich bereits Romane schreiben, aber dazu demnächst mehr.
Natürlich habe ich bzw. wir hier schon viel gesehen, erlebt, gelacht, geweint, besonders in den ersten Tagen, an denen ich mir noch ein bisschen Freigang gegönnt habe. Es ist unmöglich, hier in diesem fremden neuen Ort zu landen und sich sofort hinter Büchern (bzw. 19 Kilo kopiertem Papier...) zu verschanzen. Also stürzten wir uns mitten in eine neue Welt...

Liebe Grüße und lasst es Euch gutgehen.
Eure Kerstin oder Kasi oder auch Kasel

Links

Aktuelle Beiträge

Wo die Welt (scheinbar)...
Ich dachte, ich hätte bereits den Gipfel dessen, was...
Kasi Rüdegerdottir - 3. Dez, 17:05
Da wird doch der Hund...
Winter war es ja gewissermaßen schon von Anfang an...
Kasi Rüdegerdottir - 19. Nov, 18:13
Und was mach' ich heute?
Die Zeit rinnt durch die Finger, begleitet von kleinen...
Kasi Rüdegerdottir - 17. Okt, 20:28
Polarlichter und Weihnachtsstollen
Liebe Oma, die folgenden Zeilen sollen Dir gewidmet...
Kasi Rüdegerdottir - 6. Okt, 22:36
Und so fing alles wirklich...
...Nachdem wir die 'Guesthouse Pavi'-Situation verdaut...
Kasi Rüdegerdottir - 21. Sep, 23:30

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Suche

 

Status

Online seit 6048 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 3. Dez, 17:07

Credits


Profil
Abmelden
Weblog abonnieren