Sonntag, 21. September 2008

Und so fing alles wirklich an (Teil 2)

...Nachdem wir die 'Guesthouse Pavi'-Situation verdaut hatten, wollten wir natürlich ersteinmal die Gegend unsicher machen und erste Eindrücke von Reykjavik einholen. Ich hatte im Grunde kaum irgendwelche genauen Vorstellungen von diesem Ort, da es in Reiseführern meist nur Bilder von der Hallgrimskirkja (diesem angsteinflößende Koloss von einer Kirche) oder Läden mit Islandpullovern zu sehen gab. Und auf die Eindrücke aus einschlägigen Filmen wie "101 Reykjavik" wollte ich schon gar nicht vertrauen. Wie es sich für richtige Neuankömmlinge gehört, liefen wir zunächst einmal in Richtung Laugavegur, der zentralen Ader der Stadt, welche sich durch Cafés, Läden und kleine Gallerien auszeichnet und wo die isländischen Damen von Welt ihre blonden Mähnen und die neuesten Designer-Collektionen spazieren tragen. Ich war kaputt, irgendwie neugierig, aber auch völlig irritiert. Alles war so niedrig, klein, so völlig überschaubar und trotzdem absolut fremd und unergründlich. Ich habe nach vertrauten Dingen gesucht, obwohl ich doch eigentlich etwas Neues kennenlernen wollte. Aber so läuft es wahrscheinlich. Würde ich nach einer Woche wieder wegfahren würde, so wäre das Gefühl in diesem Moment sicher ein anderes gewesen. Aber eine Frage drängte sich immer wieder auf: Und hier bin ich jetzt die vielen kommenden Monate?
Nun ja, am nächsten Tag erreichten wir dann unser vorläufiges Zuhause: Guesthouse Sigridur. Hausherrin Siggri ist eine recht verrückte Frau, mit der wir gleich einen Deutsch-Isländischen Kulturaustausch hatten und einen kleinen Einblick in die Gedanken- und Lebenswelt einer Isländerin bekamen. Dummerweise steht sie seitdem jedes Mal, wenn sie im Guesthouse aufschlägt, gleich in unserem Zimmer, reißt die Fenster auf, hält Vorträge über die Feuerbestimmungen Islands und erzählt von ihren Reisen nach Deutschland. Oder von zwei ehemaligen Gusthouse-Bewohnern aus Litauen, die acht Monate lang in einer Schokoladenfabrik arbeiteten und sich dann in ihrer Heimat eine Eigentumswohnung kaufen konnten. Naja, wenn ich mich demnächst in einer Fischverarbeitungsfabrik dumm und dusselig verdiene, dass wisst Ihr ja was kommt.
Unsere Bleibe ist relativ weit außerhalb von Reykjavik, mitten im Industriegebiet, aber zum Glück haben wir direkt vor unserer Nase einen Meeresausläufer-See (ja Stefan, wie heisst dit denn nun?), um den man ganz nett herumlaufen kann und das Gefühl bekommt, mitten in der Natur zu sein. Jenseits des Sees sind die großen Lava-Berge, die oftmals von Wolken verhangen sind und einfach wunderschön aussehen. Von unserem Zimmer aus kann man sie direkt sehen und man gewinnt den Eindruck, dahinter ist nichts als die einsamen Weiten Islands. Is aber nicht so, da war ich wohl zu schnell mit meiner Natur-Romantik.
Hier mal ein kleiner Eindruck vom Ganzen, hach...

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Der See ist mein kleines Refugium geworden, wenn Kopf und Geist mal ein wenig Auslauf brauchen oder irgendetwas im Argen ist.
So viel zum Schönen, nicht so schön ist allerdings die Tatsache, dass man dort total auf die nur halbstündig und gerade mal bis kurz vor Mitternacht fahrenden Busse angewiesen ist. Und als wenn das nicht schon schlimm genug wäre, ist die nächste Bushaltestelle direkt auf der Autobahn und ohne Bushäuschen. Da steht einfach nur so'n Schild an der Leitplanke. und um da hin zu kommen, muss man sich einen recht steilen Abhang hochmühen, der bei Regen (also mittlerweile täglich) zum Ausrutschen in großem Stil einlädt (Stefan hat's schon erwischt:-)). Als wir uns dann so überlegt haben, wie das im Winter bei Glatteis wird, wussten wir eins sofort: wir müssen bald weg hier (die Suche läuft).
Für mich gab es ja noch eine kleine Baustelle, nämlich meine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis. Überall hat man etwas anderes gehört, daher habe ich mich gleich in der ersten Woche zum Immigration Office aufgemacht und die nette Dame am Schalter gefragt. Glücklicherweise hat die isländische Regierung ein hübsches Gesetz erlassen, dass den Staatsbürgern der meisten EU-Staten, auf jeden Fall Deutschen, ohne Beschränkungen und Bedingungen den Aufent in Island erlaubt.
Insgesamt habe ich hier in der ersten Zeit völlig widersprüchliche Erfahrungen gemacht. Einerseits gibt es hier so viele nette Orte, freundliche Menschen und spannende Dinge zu erleben. Dann aber sieht und erfährt man Dinge, die enttäuschend sind und die man sich einfach anders vorgestellt hat. Diese Stadt macht es Dir nicht leicht, weil man sich die schönen Dinge suchen muss und sie nicht einfach so auf dem Präsentierteller gereicht werden. zum Beispiel ist das Stadtbild ziemlich einfach, ohne Schnörkel, und es gibt hier irrsinnig viele Baustellen und Autos und hässliche Straßen an den falschen Orten. Aber als ich mir einen halben Tag Zeit genommen habe, um an einem wunderschönen Sonnen-Tag durch die Straßen zu laufen (mit meiner derzeitigen Lieblings-Musik im Ohr), habe ich so viel Schönes, Nettes, Lustiges gesehen, und damit war das trübsinnige Gefühl des Nicht-Wohlfühlens endgültig verschwunden.
So und hier noch ein paar Impressionen...

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In Keflavik, 1. Tag, noch mit dem Abschieds-Blues in den Knochen (und ganz viel Kaffee... dank Betti, Henryk und am allermeisten Elsys Popo ist er so noch viel besser :-))

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Vorfreude auf das Meer...

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Auch das ist Reykjavik: Baustelle, Hafen, Meer, Berge und strahlender Sonnenschein...

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...und manch einer hat sogar einen Kran im Haus

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Muss man jetzt im Bus schon die Schuhe ausziehen? Mich würde hier gar nichts mehr wundern.

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